Internationale Werbeplanung: Königsweg oder Mördergrube?

Die Automobilbranche ist traditionell durch ihre internationale Geschäftstätigkeit

gekennzeichnet. Die Form, wie die ausländischen Märkte bearbeitet wurden,

veränderte sich allerdings im Laufe der Zeit: Am Anfang stand die ethnozentrische

Strategie, die in der Ausweitung der nationalen Marktbearbeitung auf das Ausland

(Exportmarketing) bestand. Dabei wurden zu Gunsten einer starken Ausrichtung

am Stammland die Eigenarten der Auslandsmärkte vernachlässigt.

 

Für die Werbung bedeutete dies, daß im Stammland erfolgreiche Kampagnen einfach auf

das Gastland übertragen wurden. Die polyzentrischen Strategie ist mit einer differenzierten Marktbearbeitung gleichzusetzen. Durch eigene Werbekampagnen möchte man den

Gegebenheiten des Gastlandes gerecht werden. Ähnlich die regiozentrische Strategie:

Sie basiert auf der Identifikation einer Gruppe von Märkten, deren Konsumenten auf

dieselben Marketingmaßnahmen ähnlich reagieren. Ein Beispiel ist das Euro-Marketing.


Die geozentrische Strategie schließlich ist darauf ausgerichtet, Wettbewerbsvorteile auf

dem Weltmarkt zu erlangen, indem der gesamte Prozess der betrieblichen Leistungs-

erstellung unter Nutzung von Standortvorteilen global angelegt ist. Um Kosten zu sparen,

versucht man die Konsumenten aller Länder mit einer einzigen Werbekampagne zu erreichen.
Die Auslandsmarktbearbeitung ist insofern nicht nur mit der Ausweitung der Werbung auf

andere Länder verknüpft, sondern auch mit der Frage, ob sie international einheitlich

(standardisiert) erfolgen kann.

 

Zugleich skizzieren diese Strategien das Spannungsfeld, in dem sich das internationale Automobilmarketing befindet, nämlich zwischen der Notwendigkeit differenzierter Markt-

bearbeitung einerseits und dem Zwang zur Kostenreduktion durch Standardisierung

andererseits. Mitte der achtziger Jahre schlug das Pendel zugunsten der Standardisierung

aus. Den Anstoß gab die Konvergenzthese des Marketingforschers Theodore Levitt.

Er nahm an, daß sich die Konsumenten international zunehmend in ihren Bedürfnissen

ähneln, insbesondere in der Bereitschaft, auf maßgeschneiderte Produkte zugunsten

eines günstigeren Preises zu verzichten.

 

Dies begründete Levitt mit der globalen Massenkommunikation, dem internationalen

Reiseverkehr und der Angleichung der Bildungssysteme zurück. Dementsprechend

prognostizierte er einen weltweiten Nachfragesog nach standardisierten Massenprodukten.
Die Diskussion, ob dieser Produkte auch auf dieselbe Art und Weise vermarktbar sind,

konzentrierte sich schnell auf die internationale Werbung, weil man ihrer Standardisierung

ein besonders hohes Kostensenkungspotential zuschreibt.


Vordergründig versteht man unter der Standardisierung internationaler Werbung die

inhaltlich und formal einheitliche Gestaltung von Werbeanzeigen oder TV-Spots. Nur

die sprachliche Umsetzung variiert von Land zu Land. (vgl. Abb. 7)

 

 

 

Film 1: Standardisierter TV-Spot für 5 europäische Länder.


Marketingexperten sprechen von Programmstandardisierung. Demgegenüber steht die

so genannte Prozessstandardisierung. Sie besteht in der Vereinheitlichung von Arbeits-

abläufen bei der Planung von Werbung – in der Sprache der Werber „Account Planning“

oder einfach nur „Planning“. Im weiteren Sinne umfasst die Prozessstandardisierung

neben der Kreation und Realisation von Werbung auch die Erfolgskontrolle durch Markt-

forschung sowie den diese Arbeitsabläufe begleitenden Informationsaustausch und die

Führung der beteiligten Mitarbeiter. Dies gilt unabhängig davon, ob die Werbemittel selbst

standardisiert oder differenziert sind.


Heute legen neuere Ergebnisse nahe, dass die Programmstandardisierung weniger Einfluss

auf den Unternehmenserfolg hat als erwartet. Auch scheint standardisierte Werbung angesichts international unterschiedlicher Markt- und Kommunikationsbedingungen weniger wirksam zu

sein als differenzierte. Genaugenommen kann man aber die Werbewirkung nur dann beurteilen,

wenn auch die Erfolgkontrolle nach vergleichbaren Kriterien erfolgt – im Übrigen auch ein wichtiger Baustein der Werbeplanung.


Dieses Beispiel macht auch deutlich, daß die Prozessstandardisierung (international vergleichbare Arbeitsschritte bei der Werbeplanung) überhaupt erst die Voraussetzung für die Programm-standardisierung (international identische Werbung) ist. Auch deshalb rückte das internationale

„Account Planning“ in den Vordergrund der Standardisierungsdebatte. Das Augenmerk gilt dabei

der Frage, wie international eine hohe Qualität der Werbeplanung sicherzustellen ist.

 

Ohne internationales Planning keine internationale Werbung.

 

Die Entwicklung von Werbung erfolgt theoretisch in mehreren Schritten, der sich über die Analyse der Ausgangssituation, die Definition der Werbeziele, die Umsetzung unter gegebenen Budgetrestriktionen und die Kontrolle der Zielerreichung erstreckt.

 

Der planerische Aspekt äußert sich dabei in der systematischen gedanklichen Vorwegnahme

künftigen Geschehens. Dies geschieht durch problemorientierte Alternativensuche, -beurteilung

und -auswahl, wobei man bestimmte Annahmen über künftige Umweltsituationen trifft. Die Planung

hat insofern mehrere Funktionen (Diller 1998, S. 3 f.):


  • Steuerung,
  • Koordination,
  • Reduktion von Risiken,
  • Steigerung der Effizienz.


Dieses Verständnis von Planung spiegelt sich in der Definition der strategischen Werbeplanung wider. Demnach bedeutet sie „die Erarbeitung eines langfristigen kommunikativen Auftritts eines Werbeobjekts, inklusive der dazu notwendigen Analysen und Vorarbeiten, um einen verhaltenswirksamen und gegenüber der Konkurrenz eigenständigen Eindruck in der Wahrnehmung der Konsumenten zu erzielen“ (Nickel 1995, S. 4). Im Unterschied zu dem in der Agenturbranche verbreiteten Begriff des Account Planning (Beninde, 2000, S. 19 ff.) oder der Lesart der so genannten Planungsschule (Mintzberg et al. 1999, S. 66 ff.) zielt diese Definition auf die Verhaltenswirksamkeit im Sinne psychologischer Werbeziele ab, die durch eine Kombination von Kreativität und verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen zu erreichen sind. Außerdem knüpft diese Definition mit dem Schlagwort der Eigenständigkeit an das Begriffsverständnis der Positionierungsschule an (Bednarczuk 1990, S. 8; Mintzberg et al., 1999, S. 101 ff.) und greift damit die Kernaufgabe des internationalen Automobilmarketings auf.

 

Im Hinblick auf die Positionierung eines Werbeobjekts hat die strategische Werbeplanung folgende Aufgaben:


- Die Werbeziele sind aus den übergeordneten Marketing- und Unternehmensziele abzuleiten und

im Einklang mit der Unternehmens- und der Umweltsituation zu planen (Berndt et al. 2003, S. 87).

 

- Die strategische Werbeplanung ist insofern langfristig angelegt als es um die nachhaltige

Positionierung in der Wahrnehmung der Konsumenten geht (Bednarczuk 1990, S. 12).

 

- Die Prämisse der Eigenständigkeit impliziert, dass die strategische Werbeplanung auf Basis

von Konkurrenzanalysen eine als einzigartig wahrgenommene Positionierung zu erarbeiten hat.


- Diese Aufgaben erfordern die systematische Sammlung jener Informationen aus dem Unternehmen

und seiner Umwelt, die im Hinblick auf die Festlegung der Werbeziele, die Antizipation der Werbe-

wirkung und die Kontrolle der Zielerreichung relevant sind (Sander 1993, S. 263).

 

Prozessmodelle bilden die Arbeitsschritte der Werbeplanung im Hinblick auf diese Aufgaben ab

(Beninde 2000, S. 57 ff.; Rainey 1997, S. 1; Sander 1993, S. 269; Schweiger, Schattenecker 2001, S. 139). Auf ihnen basieren die Modelle der internationalen Werbeplanung (Berndt et al. 2003, S. 216;

Clifton 1997, S. 145; Mooij 1991, S. 375).

 

Prozess der internationalen Werbeplanung

 

Abbildung 8: Prozess der internationalen Werbeplanung (Quelle: nach Berndt et al. 2003, S. 216).

Die Frage, ob die international einheitliche oder die länderspezifisch differenzierte Positionierung zweckmäßig ist, lässt sich nur beantworten, wenn die Arbeitsschritte und -ergebnisse der Werbe-

planung international ver­gleichbar sind und die Abstimmung zwischen dem Stammhaus und den Tochtergesellschaften möglich ist. Die Prozessstandardisierung besteht darin, diese Vergleich-

barkeit herzustellen (Kreutzer 1986, S. 9).


Gleichwohl ist zu konstatieren, dass in der Automobilbranche das faktische Ausmaß der Prozess-standardisierung hinter den Möglichkeiten zurück­bleibt. Vor diesem Hintergrund ist das nachfolgende Konzept zur Standardisierung der internationalen Werbeplanung als Gestaltungsvorschlag zu werten.








 

Zusammenfassung

Die internationale Zusammenarbeit bei

der Planung einer Werbekampagne, die

in verschiedenen Ländern eingesetzt wird,

gilt als Voraussetzung für den Aufbau starker Marken und verheißt zugleich Kosten-einsparungen, wenn man dieselben Werbespots und -anzeigen sogar inter-national einsetzen kann.

 

Denkt man an manche europaweit gefeierten Werbespots für Automobile, erscheint die internationale Werbeplanung als Königsweg

zu kreativen Kampagnen. Doch sind solche Erfolge nur dann möglich, wenn zuvor die Arbeitsteilung zwischen dem Mutter-unternehmen und seinen ausländischen Tochtergesellschaften in Kernpunkten geregelt ist. Ansonsten sind organisatorische Barrieren und personelle Konflikte vorgezeichnet, die die Zusammenarbeit scheitern lassen und jede Kreativität ersticken.

 

Dr. Thomas Dmoch

 

Diese Internet-Seite diente ursprünglich zum Transfer der Daten meiner Forschungsarbeit. Heute ist sie eine Plattform für interkulturelle Kommunikation im digitalen Zeitalter. Sie ist Experimentierfeld für Social Media.

 

 

Weitere Abschnitte

 

- Standardisierung der Werbeplanung

- Analyse der Ausgangssituation

- Internationale Werbestrategieplanung

- Internationale Werbebudgetplanung

- Internationale Werbegestaltungsplanung

- Internationale Media-Planung

- Internationale Werbeerfolgskontrolle

- Implementierung der Werbeplanung

- Quellenangaben

 

Abbildung 7