2. Implementierung der internationalen Werbeplanung

„The development of an effective international campaign, standardized or adapted, requires careful management and good communications. If a campaign fails, this is often because implementation

was not effective“ (Mooij 1991, S. 384).


Die Effektivität der internationalen Werbeplanung ist eng mit der organisatorischen Verankerung

der Entscheidungsprozesse, der Abstimmung der Arbeitsschritte, der Rollenverteilung und der Einstellung der Mitarbeiter verbunden (Waltermann 1989, S. 238). Daraus ergeben sich zwei

zentrale Aufgaben im Rahmen der Implementierung, nämlich zu bestimmen, welche Arbeitsschritte

der internationalen Werbeplanung innerhalb des Unternehmensverbunds standardisierbar sind und
Planungswiderstände der Beteiligten zu überwinden.


Die weiter oben vorgenommene Analyse der internationalen Werbeplanung hat gezeigt, dass viele Aufgaben standardisierbar sind.

 

Standardisierbarkeit und Aufgabenteilung der internationalen Werbeplanung

 

Tabelle 5: Standardisierbarkeit und Aufgabenteilung der internationalen Werbeplanung.

 

Vordergründig begünstigt die zentralisierte Organisationsstruktur von Automobilunternehmen

die Standardisierung der Werbeplanung. Die Herstellermacht äußert sich nicht nur in seiner Weisungsbefugnis, sondern auch in seinem Know-how-Vorsprung im Hinblick auf Marketing-Prozesse und in seiner höheren Personalkapazität. Dem steht entgegen, dass die Importeure in der Regel

als Profit Center organisiert und dem Hersteller nur in Hinblick auf das Gesamtergebnis rechen-schaftspflichtig sind. Marketing-Entscheidungen werden aufgrund der höheren Marktnähe vor

Ort gefällt.


Die Frage der Standardisierbarkeit bewegt sich also im Spannungsfeld der Nutzung zentral

angesiedelten Know-hows einerseits und Marktkenntnissen sowie Flexibilität andererseits

(Mooij 1993, S. 337 f.).


Die Zentralisierung der Planungs- und Entscheidungskompetenzen ist nicht sinnvoll, weil dies umfangreiche Kontrollmechanismen erfordern und demotivierend auf das lokale Management

wirken würde. Nötigt der Hersteller den Importeuren seine Planungstechniken auf, stößt dies

auf Ablehnung – ein Effekt, der unter dem Schlagwort des „Not-invented-here-Syndroms“ bekannt

ist (Landwehr 1988, S. 208).


Die Ablehnung ist umso stärker, je höher die Leistungsmotivation der lokalen Manager, je bedeutsamer die zu standardisierenden Arbeitsschritte, je stärker ausgeprägt ihre demokratische Grundeinstellung

und je höher sie ihre Fähigkeiten einschätzen. In diesen Fällen wird die Prozessstandardisierung als entfaltungshemmender Konformitätszwang empfunden. Die Gefahr besteht, dass daraus bürokratisches Verhalten resultiert, welches die flexible Reaktion auf das Marktgeschehen verhindert und damit dem

Sinn des Importeurswesens widerspricht (Kreutzer 1986, S. 42 ff.).


Den durch die Prozessstandardisierung induzierten Planungswiderständenkann durch Kooperation zwischen Hersteller und Importeuren vorgebeugt werden. Dazu bieten sich mehrere Wege an

(Berndt et al. 2003, S. 292 f.):


  • Regelmäßige Konferenzen,
  • globale Koordinationsgruppen,
  • das Lead-Country-Konzept,
  • das Netzwerkkonzept.


Regelmäßige Konferenzen zwischen Hersteller und Importeuren sind ein erster Schritt zur Koordination der internationalen Werbeplanung. Neben der persönlichen Bekanntschaft, dem damit verbundenen Abbau von Vorurteilen und der Beschäftigung mit der Unternehmenskultur fördern solche Treffen die Kooperation, z.B. kann ein erfolgreicher Werbespot eines Importeurs auf seine Einsatzmöglichkeiten in anderen Ländern überprüft werden. Weitere Vorteile sind, dass die Komplexität der Zusammenarbeit gering ist, weil die Konferenzen eher konsultativen Charakter haben und Flexibilitätsspielräume ausgelotet werden können. Eine Gefahr besteht darin, dass solche Konferenzen zu Ressourcen verschwendenden Routinesitzungen degenerieren.


Globale Koordinationsgruppen sind durch den hohen Kooperationsgrad von Hersteller und Importeuren gekennzeichnet. Sie haben die Funktion, alle Aufgaben der internationalen Werbeplanung arbeitsteilig zu erledigen. Koordinationsgruppen sind mit Experten von Hersteller und Importeuren besetzt. Ihnen steht eine strategische Planungsgruppe vor, deren Aufgabe in der Entwicklung der Werbestrategie liegt.

 

Beispiel für globale Koordinationsgruppen

 

Abbildung 14: Beispiel für globale Koordinationsgruppen (Quelle: Nach Kreutzer 1986, S. 14).

 

Die Vorteile von globalen Koordinationsgruppen liegen in der Entlastung des Herstellers unter Wahrung seiner Strategiehoheit, in der Berücksichtigung lokaler Marktkenntnisse und im Know-how-Transfer im Unternehmensverbund. Nachteile bestehen in der Entfernung der Teilnehmer vom Tagesgeschäft, der die Importeure nur zustimmen werden, wenn sie im Gegenzug Mitspracherecht bei der strategischen Planung erhalten.


Im Rahmen des Lead-Country-Konzepts übernimmt eine Gesellschaft des Unternehmensverbundes

als „primus inter pares“ für eine bestimmte Zeit und Region die internationale Werbeplanung. Unter der Leitung des Lead Country erledigen die ihm zugeordneten Länder Teilaufgaben der Werbeplanung.

 

Die Ergebnisse stellen für sie einen Orientierungsrahmen dar, von dem sie nur bei gravierenden Hindernissen abweichen dürfen. Das Lead Country muss nicht notwendigerweise der Hersteller sein, sondern kann z.B. derjenige Importeur sein, für den das neue Modell die höchste Bedeutung hat (Mooij 1991, S. 346). Weitere Auswahlkriterien sind die Marketing-Kompetenz, die Ressourcen, die Kenntnisse über die zu betreuenden Ländermärkte und firmenpolitische Erwägungen wie die gezielte Aufwertung eines Importeurs. Der Vorteil des Lead-Country-Konzepts liegt in seinem stark partizipativen Charakter unter Nutzung länderspezifischer Kompetenz.

 

Nachteilig wirkt die mögliche Ablehnung des Lead Country durch die ihm zugeordneten Importeure, die

für ihre Kooperation die Beteiligung an strategischen Entscheidungen verlangen werden. Außerdem ist

die Strategiehoheit des Herstellers gefährdet, sofern nicht Vertreter des Stammhauses in die Arbeits-prozesse integriert sind. Besonders schwer wiegt, dass ein Importeur seine Funktion als Lead Country nicht zum gemeinsamen Vorteil nutzen wird, solange er nur in seinem Land das finanzielle Ergebnis verantwortet.

 

Deshalb müssten die Verantwortungsbereiche neu strukturiert werden, was angesichts der aktuellen Eigentumsverhältnisse bei den meisten europäischen Importeuren nicht möglich ist. Das Netzwerk-konzept besteht in einer engen Verflechtung von Hersteller und Importeuren, bei der die Rollen angeglichen werden und jede Organisationseinheit grundsätzlich ähnliche Aufgaben übernehmen kann.

Das Kriterium für die Vergabe bestimmter Aufgaben ist der komparative Kostenvorteil. Die Vorteile des Netzwerkkonzepts bestehen in der hohen Effizienz sowie in der starken Kooperation. Problematisch ist, dass es vergleichbare Ressourcen der Organisationseinheiten erfordert. Deshalb kommt dieses Konzept für die Automobilbranche noch nicht in Frage.


Diese vier Kooperationsformen eröffnen die Möglichkeit, die Planungswiderstände zu mindern.

Diese Chance bietet sich schon vor der Prozessstandardisierung. So ergeben sich aus der gemeinsamen Ausarbeitung eines Konzeptes zur internationalen Werbeplanung selbst weite Kooperationsfelder, deren Berücksichtigung letztlich auch über die Akzeptanz der Prozess-standardisierung entscheidet (Kreutzer 1989, S. 531). Dazu ist ein systematischer Einführungsplan zweckmäßig. Er besteht in mehreren Phasen, um Widerstände sukzessive zu bewältigen.

 

Einführungsplan zur phasenweise Prozessstandardisierung der internationalen Werbeplanung

 

Abbildung 15: Einführungsplan zur phasenweise Prozessstandardisierung der internationalen Werbeplanung (Quelle: Nach Berndt et al. 2003, S. 308).

 

Zu Beginn erfolgt eine internationale Bestandsaufnahme, mit welchen Methoden die Werbeplanung durchgeführt wird. Daraufhin definiert man ausgewählte Kooperationsfelder, formuliert neue, standardisierte Arbeitsabläufe und die mit ihnen verbundene Aufgabenteilung (vgl. Tab. 5).

Dabei sollten die neuen Arbeitsabläufe im Hinblick auf ihre Akzeptanz zunächst möglichst einfach

und vorteilhaft für die Importeure gehalten sein (Landwehr 1988, S. 221 f.).


Das Vorgehen ist iterativ. In einem ersten Durchgang geht es weniger um die Gestaltung neuer Organisationsstrukturen als um die Gewöhnung an die neuen Interaktionsmuster. Erst wenn sich einheitliche Planungskriterien und elementarer Planungsabläufe etabliert haben, sind höhere, arbeits-teilige Organisationsstrukturen wie globale Koordinationsgruppen möglich.

 

Hat das Projektteam erste Leitlinien und Organisationsstrukturen erarbeitet, bietet die Markteinführung eines neuen Modells eine gute Gelegenheit, das neue Vorgehen anderen Importeuren vorzustellen.
In weiteren Planungsdurchgängen wird die Prozessstandardisierung sukzessive auf alle Aufgaben der internationalen Werbeplanung ausgedehnt. Dabei ist es im Interesse des Arbeitsfortschritts geschickt, gezielt jenen Importeur als Lead Country zu nominieren, von dem der größte Widerstand zu erwarten ist.

 

Indem man ihn zugleich zum Urheber und Betroffenen des geplanten Wandels macht, sind am

ehesten eine Identifikation mit den Zielen der Prozessstandardisierung und ein nachhaltiger Abbau

von Akzeptanzbarrieren im Unternehmensverbund zu erreichen. Außerdem sollte der zeit- und zielgerechte Projektverlauf durch eine übergeordnete Managementebene unterstützt werden, auch

um die Bedeutung des Projekts im Unternehmen zu dokumentieren. Zusätzlich haben Planungs-

experten des Herstellers die Methodengüte zu sichern (Landwehr 1988, S. 243).


Im Zusammenhang mit der Einführung standardisierter Prozesse hat die Einrichtung eines Managementinformationssystems hohen Stellenwert, weil es die schnelle Kommunikation mit allen Prozessbeteiligten sicherstellt (Berndt et al. 2003, S. 171; Kreutzer 1986, S. 24). Ein gutes Beispiel

stellt die Volkswagen Marketing Datenbank dar, in der die Importeure via Internet umfassende Informationen zur internationalen Werbeplanung finden, z.B. Konkurrenzwerbung zur Analyse der Ausgangssituation, Präsentationen und Briefings zur Werbestrategieplanung sowie Richtlinien,

Anzeigen und Fotomaterial zur Werbegestaltungsplanung.

 

Volkswagen Marketing Datenbank

 

Abbildung 16: Volkswagen Marketing Datenbank (Quelle: Volkswagen AG).

 

Information ist eine notwendige Bedingung der Prozessstandardisierung (Mooij 1991, S. 351).

In diesem Sinne bewährte sich die Marketing Datenbank bei Volkswagen als Wegbereiter der Standardisierung von Prozessen und Inhalten. 10 Jahre nach ihrer Einführung verwenden sie

weltweit 98% aller Volkswagen-Importeure wegen ihres hohen Nutzens. Die Einrichtung dieses

Mediums trägt der Erkenntnis Rechnung, dass der Dialog zwischen dem Hersteller und den

Importeuren nicht das Ergebnis, sondern die Voraussetzung für die internationale Werbeplanung

ist. Um mit den Worten von Stanley Pollitt, dem Vater des britischen Account-Planning, zu sprechen: „Planning is creative thinking based on information.“