1.2 Internationale Analyse der Ausgangssituation
Die Werbeplanung basiert auf der Analyse der Ausgangssituation, da man ohne
Kenntnis des Ist-Zustandes nicht beurteilen kann, welcher Soll-Zustand anzustreben
ist (Sander 1993, S. 270).
Zur Analyse der Ausgangssituation werden wirtschaftliche, rechtliche, technische und
gesellschaftliche Kriterien vorgeschlagen (Berndt et al. 2003, S. 205; Clifton 1997, S. 145;
Mooij 1991, S. 375 f.). Im Hinblick auf das Ziel der internationalen Positionierung sind diese
Kriterien jedoch nur wenig relevant, weil sie allenfalls Hinweise darauf geben, ob eine inter-
nationale Werbekampagne durchführbar, nicht aber wie diese optimal zu gestalten ist.
Im Sinne der verhaltenswissenschaftlichen Definition der Werbeplanung sind vielmehr jene
Kriterien relevant, welche die Erreichbarkeit psychologischer Werbeziele beeinflussen.
Psychologische Werbeziele, z.B. Bekanntheit und Image, sind für die Werbegestaltung
operationale Ziele, weil sie auf den psychischen Prozess abstellen, der dem Kaufverhalten
vorausgeht und der durch bestimmte Werbemaßnahmen gezielt beeinflusst werden kann.
Anders jedoch ökonomische Werbeziele, z.B. Umsatz und Marktanteil. Ob sie erreicht werden,
hängt von vielen Einflussfaktoren ab, die nicht der Werbung zuzurechnen sind, z.B. Konjunktur-schwankungen oder Preissenkungen. Dieses Zurechenbarkeitsproblem gilt für psychologische Werbeziele weniger. Psychologische Werbeziele beziehen sich dagegen auf die Beeinflussung
von Haltungen (Verhaltensdispositionen), die „hinter“ dem Verhalten stehen und deren Zustande-
kommen durch moderne Stufenmodelle der Werbewirkung erklärt wird.
Die zentrale Determinante dieser Verhaltensdispositionen ist das Involvement der Zielgruppe
(Kroeber-Riel, Esch 2000, S. 32 ff.). Unter Involvement wird das innere Engagement verstanden,
mit dem sich jemand einem Gegenstand oder einem Sachverhalt zuwendet. Bei geringem Involve-
ment ist der Konsument passiv und dem Angebot gegenüber gleichgültig eingestellt. Das Involvement
hat dabei zwei Komponenten. Man spricht von kognitivem und emotionalem Involvement. Wenn das kognitive Involvement hoch ist, nehmen die Konsumenten Informationen aktiv auf und verarbeiten
sie mit hohem Aufwand. Das trifft bei solchen Produkten zu, die noch starke Unterschiede zu konkurrierenden Angeboten aufweisen, weil ein Kaufrisiko in technischer oder finanzieller Hinsicht wahrgenommen wird.
Dagegen ist der Konsument bei hohem emotionalem Involvement von einem Produkt gefühlsmäßig
so fasziniert, dass er sich ihm mit starkem Engagement zuwendet, ohne über die objektiven Produkteigenschaften nachzudenken (Kroeber-Riel, Weinberg 1996, S. 360 ff.). Für die internationale Werbeplanung ist entscheidend, dass das Involvement von Konsumenten aus verschiedenen Ländern variieren kann und damit Einfluss darauf hat, welche Werbeziele angemessen sind (vgl. Kapitel 2.3.3).
Die Variationen resultieren aus unterschiedlichen Markt- und Kommunikationsbedingungen in Europa:
- gesättigte Märkte,
- hohe Produktdifferenzierung,
- Erlebnisorientierung der Konsumenten,
- Informationsüberlastung der Konsumenten.
Die Automobilmärkte Europas sind gesättigt. Der Absatz stagniert. Es besteht ein Angebots-
überschuss an vergleichbaren, qualitativ hoch ausgereiften Produkten. Beispiele sind die Großraumlimousinen Volkswagen Sharan, Ford Galaxy und Seat Alhambra, die abgesehen
von markentypischen Designmerkmalen baugleich sind.
Angesichts der Austauschbarkeit objektiver Produkteigenschaften zeigen die Konsumenten
kaum noch Interesse an entsprechenden Informationen in der Werbung. Dies führt zu einem
geringen kognitiven Involvement. Da die grundlegenden Bedürfnisse in Industrienationen weitgehend befriedigt sind, gewinnen Selbstverwirklichung und sensuelle Anregung an Gewicht. Auch der
Konsum wird zur Möglichkeit emotionalen Erlebens. Dementsprechend beurteilen viele Konsumenten Automobile danach, inwieweit sie einen Beitrag zu ihrem Lebensstil liefern (Naisbitt, Arburdene 1990,
S. 156). Dieser Trend bewirkt ein hohes emotionales Involvement.
Im Rahmen der gestiegenen Genuss- und Erlebnisorientierung der Konsumenten ist eine Verviel-
fachung der Werthaltungen zu beobachten. Dementsprechend variieren auch die Konsummotive
stark (Maddox 1996, S. 290). Die Automobilhersteller reagieren auf diese Entwicklung mit extremer Produktdifferenzierung. Während in den sechziger Jahren im Wesentlichen drei Modelltypen
(Limousine, Sportwagen, Spider) angeboten wurden, gibt es heute zwanzig Segmente. Zudem
sind manche baugleiche Modelle nur noch durch gefühlsmäßige Attribute zu differenzieren
(Wildemann 2003, S. 18). Dies geht mit einem hohen emotionalen Involvement einher.
Um über ihr Modellangebot zu informieren, wendet die Automobilbranche jährlich steigende
Summen auf. Daraus resultiert eine ungeheure Informationsflut, die die Werbung behindert. Man
findet immer seltener Gehör, weil die Empfänger der Werbung Wahrnehmungsbarrieren errichten,
um sich gegen die Informationsflut abzuschotten. Dies äußert sich in einem geringen kognitiven
und emotionalen Involvement.
Tabelle 2: Werbeplandaten zur Definition psychologischer Werbeziele.
Im Hinblick auf ihre Standardisierbarkeit ist die Analyse der Ausgangssituation als repetitive
Aufgabe einzustufen, weil sie mit der Planung jeder internationalen Kampagne anfällt. Auch
sind die Informationen international erfassbar. Bei fehlenden Mediendaten kann man auf Hilfsgrößen ausweichen. Weiterhin sind die einzelnen Arbeitsschritte der Analyse beobachtbar. Insgesamt ist
diese Aufgabe der internationalen Werbeplanung als standardisierbar zu erachten. Angesichts der Marktkenntnisse der Importeure sollte die Analyse der Ausgangssituation an sie delegiert werden.
Weitere Abschnitte
- Standardisierung der Werbeplanung
- Analyse der Ausgangssituation
- Internationale Werbestrategieplanung
- Internationale Werbebudgetplanung
- Internationale Werbegestaltungsplanung
- Internationale Media-Planung
- Internationale Werbeerfolgskontrolle
- Implementierung der Werbeplanung